Erbrecht und Strafrecht – was hat das miteinander zu tun?
Selten: Mord
Denken Sie an Mord: So etwas ist strafbar nach § 75 StGB (“Wer einen anderen tötet…”). Aber so ein Todesfall ist zwangsläufig auch der Beginn eines Verfahrens zur Regelung des Nachlasses (§ 143 AußStrG), es geht an’s Erben.
Wenn der Täter ein Kind oder Ehegatte des Verstorbenen war, macht Mord vordergründig Sinn. Denn diese Personen haben das stärkste gesetzliche Erbrecht und am meisten zu verlieren, wenn “der Alte” auf einmal plant, ein Testament zu Gunsten anderer zu schreiben.
Wer aber gegenüber dem Verstorbenen, seinen Angehörigen oder seinen Nachlass eine Straftat begeht, die mit mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, verliert die Erbfähigkeit (§ 541 Z 1 ABGB). Nur soviel: Mord ist strenger bestraft.
Was mich zum nächsten Schnittpunkt von Straf- und Erbrecht bringt:
Manchmal: Fälschung eines Testaments
Testamentsfälschungen sind vermutlich seltener als Morde. Denn grundsätzlich gilt die gesetzliche Erbfolge. Es erben also primär Kinder und Ehegatte. Und da 80 % der Österreicher kein Testament haben, bleibt es dabei. Also haben diejenigen, die dem Erblasser am nächsten waren, wenig Grund für eine Testamentsfälschung. Schon eher die Lebensgefährten, die sich vor allem bei langjährigen Lebensgemeinschaften oft (zu Recht) übergangen fühlen, wenn sie merken, dass es kein Testament zu ihren Gunsten gibt.
Wenn jemand unbedingt (mehr) erben möchte, als ihm nach Gesetz oder dem echten Testament zusteht, fälscht er ein Testament. Das ist natürlich strafbar. Testamente gelten sogar als besonders geschützte Urkunden. Anders als bei der Fälschung anderer Urkunden (1 Jahr Strafdrohung) drohen hier bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe.
Nach einer aktuellen Entscheidung des Landesgerichtes Wels ist es auch egal, ob man das Testament nur gefälscht hat, um den wahren Willen des Verstorbenen umzusetzen. Hingegen kommt es nach älteren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes genau darauf an. Sie merken, Rechtssicherheit sieht anders aus.
Kommen wir zu einem in der Praxis häufigeren Fall:
Häufig: Unterdrückung eines Testaments
Ein nicht unübliches Delikt bei Erbschaften ist die Unterschlagung bzw. Unterdrückung eines Testaments. Zwar ist das nur mit 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht (§ 229 StGB). Die Sonderregel des § 540 ABGB sieht hier eigens die Erbunwürdigkeit vor, denn die Grundregel des § 541 Z 1 würde noch nicht greifen (erst ab mehr als 1 Jahr Strafdrohung).
Was also hilft gesetzlichen Erben, die ihre Enterbung durch Beseitigung des Testaments vertuschen wollen?
Ein Erblasser, der sein Testament “im Nachtkästchen” aufbewahrt.
Nur die bei Rechtsanwälten und Notaren verwahrten Testamente “ploppen” im Todesfall automatisch beim Gerichtskommissär auf und sind unterdrückungssicher. Das ist keine Eigenwerbung, weil die Testamentsregistrierung kein Geld bringt, sondern nur Aufwand ist. Was es kostet, ein ordentliches und formgültiges Testament inkl. Nachlassplanung vorzubereiten, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Am Ende die Klassiker:
Ständig: Betrug, Untreue, falsche Beweisaussage, etc.
Nur weil der ungeliebte Verwandte den Erblasser nicht ermordet hat oder Sie das Verschwinden-Lassen des Testaments nicht beweisen können, ist die Sache noch nicht gegessen. Ich erlebe es immer wieder, dass es im Zusammenhang mit Verlassenschaftsverfahren zu Straftaten kommt, die keiner als relevant erachtet. Weil es ja “normal” ist und nicht mit der Brille des Strafrichters, der ich früher war, gesehen wird.
Aber ich warne Witwen, Lebensgefährtinnen (meistens sterben ja die Männer zuerst) und Kinder davor,
- kurz nach dem Tod einen Haufen Geld vom Konto abzuheben
- zu versuchen, Lebensversicherungen an sich auszahlen zu lassen
- Wertsachen (Gold, Sparbücher, Uhren, Auto) zu eigenen Gunsten zu verwerten oder an Nachbarn, Verwandte und Freunde zu verschenken, bevor das Verlassenschaftsverfahren abgeschlossen ist
- als Zeuge zur Frage zu lügen
- ob der Erblasser beim Unterschreiben des Testaments noch geistig fit war
- ob er Sparbücher hatte
- ob er sein Auto der Frau geschenkt hat
- ob die letztwillige Pflichtteilsherabsetzung wegen fehlenden Kontaktes erfolgte
- wer wieviel vom Erblasser vor dessen Tod an Geld bekommen hat
- etc.
Leider ist so etwas nicht selten. Aber ist es legal, weil die Witwe “ja nur das Begräbnis bezahlen wollte” oder das “eh dem Willen des Verstorbenen entspricht, dass der Charly sein Motorrad bekommt“? Beweisen Sie das dann erst einmal.
Auf der anderen Seite können Sie die oberstgerichtliche Entscheidung 2 Ob 100/19y lesen. Da versuchte eine Witwe einiges an Vermögen “zu lukrieren”, obwohl ihr nur ein Wohnrecht zustand. Dort sieht man aber auch, was ein guter Anwalt bewirken kann: Die Witwe galt am Ende doch noch als erbwürdig.
Sonderfall: Die Testamentsfälscher aus der Justiz
Ein Sonderfall waren Justizmitarbeiter (Rechtspfleger, Geschäftsstellenleiter, Staatsanwalt, Landesgerichtsvizepräsidentin) und 2 Anwälte in Vorarlberg, die höchst kunstvoll teilweise jahrzehntelang in die eigene Tasche gefälscht haben. Das war dann Amtsmißbrauch (§ 302 StGB), schwerer gewerbsmäßiger Betrug (§ 147 StGB) und Urkundenfälschung unter Ausnutzung einer Amtsstellung (§ 313 StGB).
Den ganzen Krimi lesen sie in dieser OGH-Entscheidung.
Eine junge Richterin hatte einigen Widerstand zu überwinden, nachdem sie die Unregelmäßigkeiten bemerkt hatte. Dass sie einen Orden bekommen hätte, ist mir nicht bekannt. Die ehemalige Landesgerichtsvizepräsidentin kam mit der Fußfessel davon.
Sollten Sie eine Frage zu diesen Themen, haben, können Sie mich gerne mit dem Kontaktformular oder per Mail unter kanzlei@kirschner-recht.at für eine kostenlose Erstberatung kontaktieren.
Rechtsanwalt für Strafrecht. Und Erbrecht.
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