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Ist das Garagenpartyverbot verfassungswidrig?

Lockdown: Ist das Garagenpartyverbot verfassungswidrig? Dürfen Garagen kontrolliert werden?

1. Das Garagenpartyverbot ist ein Schnellschuss

Das konnte ja keiner ahnen, dass die 2. Coronawelle kommt. Daher “musste” (das ist hier die Frage) die Politik jetzt wegen dieser “unerwarteten” (?) Entwicklungen wieder eine “Maßnahme” oder “Schritte” (= Grundrechtsbeschränkung) setzen. Die Medien nennen das Kind nur teilweise beim (Grundrechts-)Namen:

Denn schon wird berichtet: Bisher keine Verstöße gegen Garagenpartyverbot. Ob das Verbot rechtskonform ist, interessiert offenbar zuwenige Mitbürger.

Die Chance, dass das Verbot von Garagenpartys rechts- und verfassungswidrig ist, ist aber genauso hoch, wie bei den Coronaverordnungen aus dem Frühjahr (vgl meine Beiträge Corona-Strafe aufgehoben).

2. COVID-19-Maßnahmenverordnung

§ 2a – Ergänzende Regelungen für Veranstaltungen

Die Regelungen des § 10 der COVID-19-Maßnahmenverordnung über Veranstaltungen gelten auch für Veranstaltungen in Anlagen oder Anlagenteilen, die nicht für Wohnzwecke bestimmt sind, wie beispielsweise Garagen, Carports, Werkstätten, Scheunen und Ställe sowie für Vereinslokale. Veranstaltungen, an denen ausschließlich im gemeinsamen Haushalt lebende Personen teilnehmen, bleiben zulässig.

Demnach dürften also “geplante Zusammenkünfte zur Unterhaltung, Belustigung oder geistigen Erbauung” auch in privaten Garagen und Scheunen (da fällt mir gleich das Landjugendtheater ein) von der Polizei geprüft werden. Und die Teilnehmer bestraft werden, wenn die Corona-Veranstaltungsbestimmungen des § 10 der COVID-19-Maßnahmenverordnung nicht eingehalten werden (Abstand, Teilnehmerzahl, Präventionskonzept, allfällige Anmeldung etc.).

Darf ein Landeshauptmann das verordnen? Zuerst einmal ja:

2.1. Rechtsgrundlage für eine Maßnahmenverordnung

Die Verordnung stützt sich ausdrücklich auf das COVID-19-Maßnahmengesetz und das Epidemiegesetz (in der Fassung vom 20.10.2020).

§ 43ab Abs 2 Epidemiegesetz und § 7 Abs 2 Covid-19-Maßnahmengesetz erlauben dem Landeshauptmann mit Verordnung “zusätzliche Maßnahmen” zu einer Verordnung des Bundesgesundheitsministers festzulegen. Die Covid-19-Maßnahmenverordnung des Bundesministers regelt Garagenpartys derzeit nicht. Aber darf die Regierung überhaupt Garagenpartys „regeln“?

§ 4 Covid-19-Maßnahmengesetz erlaubt es der Regierung, das Betreten von bestimmten Orten mittels Verordnung zu „regeln“, soweit dies zur Eindämmung von COVID-19 erforderlich ist.

Was aber ist „erforderlich“? Was soll’s, ich gebe diesen Punkt zur Vereinfachung dieses Beitrag vorerst kampflos aus. Nehmen wir einfach an, MAN KANN Corona nur so und nicht anders bekämpfen. Wir müssen es so machen wie die Regierenden und zäumen das Pferd rechtlich von hinten. Zur eigentlich vorgelagerten Frage, OB Covid-19 auch um den Preis der Aufgabe des Hausrechts eingedämmt werden MUSS bzw. DARF, nämlich auch in privaten Garagen, Carports, Werkstätten, Scheunen, Ställen und Vereinslokalen, komme ich erst am Ende des Beitrags.

Vorerst geht es mir um die Aufklärung über ein Gesetz, das dem Covid-19-Maßnahmengesetz im Stufenbau der Rechtsordnung übergeordnet ist:

3. Schutz des Hausrechts

In meinem früheren Beitrag Verfassungswidrige Strafen bei Corona-Ausgangssperren habe ich angedeutet, dass der Privatbereich für den Staat eigentlich seit über 100 Jahren eine “No-Go-Area” ist. Genau genommen seit ziemlich genau 158 Jahren:

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Der werte Herr Kaiser musste damals wohl oder übel dieses Recht gewähren, damit ihn die Revolution nicht überrollt. Dieses Gesetz zum Schutz des Hausrechts (hier die leichter lesbare RIS-Version) ist immer noch in Kraft.

Und im Jahr 1867 wurde es mit dem Staatsgrundgesetz (hier die leicht lesbare Version) zum Grundrecht (= von der Regierung und einfachen Parlamentsmehrheit nicht beschneidbares Recht) erhoben:

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Im Jahr 1920 wurden durch Art. 149 Bundes-Verfassungsgesetz (leicht lesbare Version) sowohl das Gesetz zum Schutz des Hausrechts als auch das Staatsgrundgesetz 1867 in Verfassungsrang übernommen:

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3.1. Strafe bei Verletzung des Hausrechts

Ein Gesetz ohne Sanktion ist zahnlos. Daher droht § 4 des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts jedem staatlichen Organ, das “gegen die vorstehenden Bestimmungen” mit “bösem Vorsatz” eine Hausdurchsuchung vornimmt, mit einer Anklage wegen des Verbrechens des Amtsmißbrauches (§ 301 StGB).

3.2. Was gehört zum “Hauswesen”?

Die Politik behauptet derzeit gerne, nur das Wohnhaus falle unter das Hausrecht. Nach der Strafprozessordnung – also wenn es um gerichtliche Straftaten und nicht nur Verwaltungsübertretungen geht – fallen

  • nicht allgemein zugängliche Grundstücke
  • Räume
  • Fahrzeuge und sogar
  • Behältnisse (siehe § 117 StPO)

grundsätzlich unter das Hausrecht.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts allerdings nur die “zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten“, also nicht die Wiese. Ob eine umfriedete Wiese erfasst ist, braucht uns hier aber nicht zu interessieren, es geht hier ja nicht um Wiesenpartys.

Manche meinen, nur der im Vierkanter befindliche Stadl gehöre zum Haus, der separat stehende Stadl nicht. Diese Interpretation halte ich für falsch, weil das Gesetz dann ja nur die ans Haus angebauten Räumlichkeiten erwähnt hätte. Zugehör im rechtlichen Sinn sind bei einer Liegenschaft aber nicht nur die am Wohnhaus angebauten Bauten.

Eine Garage und ein Stadl sind einem Haus gleichzuhalten. Sprechen wir also ganz gegen den Ernst der Sache vom Stadlrecht.

3.3. Einschränkungen des Haus- und Stadlrechts

Nachdem Sie nun wissen, dass das gute alte Gesetz zum Schutz des Hausrechts auch für Garagen und Stadln gilt, beschäftigen wir uns mit den Möglichkeiten, das Stadlrecht einzuschränken:

3.3.1. Mit Stadldurchsuchungsbefehl

Gemäß § 1 des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts darf ein Haus grundsätzlich nur mit einem begründeten richterlichen Befehl (= Durchsuchungsbefehl) durchsucht werden. Dabei muss begründet werden, dass die Durchsuchung verhältnismäßig ist.

Das ist unpraktikabel, die Politik will ja ohne störende Richter (es gibt es ja rund um die Uhr sogenannte Journalrichter!) der Polizei die Befugnis geben. Das geht normalerweise mit dem Argument, es sei Gefahr im Verzug:

3.3.2. Wegen Gefahr im Verzug

Gemäß § 2 kann zum Zwecke der Strafgerichtspflege bei Gefahr im Verzug auch ohne richterlichen Befehl eine Hausdurchsuchung angeordnet werden.

So etwas kann aber auch in die falsche Richtung losgehen, denn die Strafprozessordnung sieht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung von Ermittlungsmaßnahmen vor. So ist zB der bloße Verdacht von Cannabiseigenkonsum (obwohl eine gerichtliche Straftat!) wohl zu wenig dringlich für eine Hausdurchsuchung ohne richterliche Anordnung (vgl ORF.at vom 27.6.2020: Polizeiliche Hausdurchsuchung hat gerichtliches Nachspiel).

Ein Verstoß gegen die Covid-19-Maßnahmenverordnung wäre aber nicht einmal eine gerichtlich strafbare Handlung, sondern nur eine Verwaltungsübertretung. Also gilt diese Ausnahme sicher nicht.

3.3.3. Betretung auf frischer Tat

Gemäß § 2 kann eine Hausdurchsuchung durch Sicherheitsorgane vorgenommen werden, wenn wenn jemand auf frischer Tat betreten wird. Das gälte aber auch nur für gerichtlich strafbare Handlungen, denn selbst außerhalb Ihres Hauses dürfen Sie ja wegen einer bloßen Verwaltungsübertretung nicht festgenommen werden.

3.3.4. “Weil wir es sagen”

Im Frühjahr 2020 hatte man einfach in Pressekonferenzen behauptet, man dürfe nicht alleine am Donaukanal sitzen. Daraufhin verwies die Polizei die Menschen nach Hause, der ORF berichtete darüber kritiklos. Erst Monate später wurde der breiten Masse berichtet, dass es hierfür gar keine Rechtsgrundlage gab (die Leser meines Beitrags Verfassungswidrige Strafen bei Corona-Ausgangssperren wussten es schon am 8. April).

Was, wenn die Politik auch jetzt weiß, dass Sie als Bürger Ihre Garage nicht öffnen müssen? Und es auch keine Hausdurchsuchung wegen Gefahr im Verzug geben darf, wenn 10 Autos vor Ihrer Tür stehen und lauter Partylärm auf die Wiese vor dem Stadl schallt?

Naja, was man womöglich gar nicht darf, das behauptet man einfach zu dürfen, und hofft, dass es die Menschen glauben: Man “verlautbart” über die Medien die angebliche Zulässigkeit von Garagenparty-Kontrollen am Wochenende in ganz Oberösterreich:

Zur Kontrolle, ob etwa in der Gartenhütte hinter dem Haus eine größere Feier stattfindet, darf die Behörde auch den privaten Grund betreten, informierte der Krisenstab. Und sollte zum Beispiel eine Person trotz Aufforderung ein Garagentor nicht aufmachen, wären “laut bundesgesetzlicher Grundlagen Zwangsmaßnahmen theoretisch möglich, aber wir gehen davon aus, dass im Sinne der Vernunft hier die Menschen adäquat reagieren und öffnen werden“, hieß es weiters vom Krisenstab.

Die Presse, 29.10.2020
2.1.4.1 Freiwillige Nachschau

Etwas Dümmeres, als die vorgeschlagene „adäquate Reaktion“ kann man gar nicht machen. Denn wer der Polizei die Türe freiwillig öffnet, erlaubt eine sogenannte freiwillige Nachschau.

Ihr Hausrecht haben Sie damit freiwillig aufgegeben!

Jegliche noch so kleine Rechtswidrigkeit, die bei so einer freiwilligen Nachschau festgestellt wird, kann dann strafrechtlich verfolgt werden (zB bloße Verwaltungsübertretungen wie Corona-Maßnahmen-Verordnung-Abstand-Verletzung-Verstoß, aber auch Diebstahl der Nachbarskatze).

Wer nicht freiwillig öffnet, wird hingegen nur dann einen Hausdurchsuchungsbefehl bekommen, wenn er einer Straftat verdächtig ist, deren Schwere eine Hausdurchsuchung rechtfertigt.

4. Abwägung von Hausrecht und Menschenleben

Es geht in Wahrheit um 2 Fragen:

  1. Ist das Corona-Infektionsgeschehen so, dass Privatpartys eingeschränkt werden (max. Teilnehmerzahl, Abstand etc) dürfen?
  2. Wenn ja, unter welchen konkreten Umständen darf die Einhaltung dieser Vorschrift auch ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl überprüft werden?

Die eigentliche Aufgabe der Politik wäre es, die Grundrechte auf Leben und auf Hausrecht gegeneinander im Verlauf der Pandemie neu abzuwiegen. Denn auch die Strafprozessordnung wiegt ab, das Grundrecht auf Hausrecht ist eben nicht absolut “unverletztlich”, wie das Staatsgrundgesetz als bloßen Grundsatz proklamiert. Denn sonst könnte jeder in seinem Haus alles straflos tun. Geht eben nicht. Und wenn Garagenpartys dazu führen, dass unser Gesundheitssystem an die Wand fährt, alte Menschen nicht mehr behandelt werden können und wie in Bergamo wie die Fliegen versterben, dann wäre der Punkt erreicht, wo das Hausrecht weniger schützenswert wird. Allerdings ist diese Abwägung derzeit klar: Der Verstoß gegen das Garagenpartyverbot ist derzeit nicht einmal eine gerichtliche Straftat! Würde die Parlamentsmehrheit dies ändern, wäre es meines Erachtens je nach “Infektionsgeschehen” rechtlich eher möglich, zwangsweise Hausdurchsuchungen zur Unterbindung rechtswidriger Zusammenkünfte und zur Identitätsfeststellung der dabei auf frischer Tat betretenen Personen vorzunehmen.

Sollten Sie eine Frage zu diesem Thema haben, können Sie mich gerne per Mail unter kanzlei@kirschner-recht.at kontaktieren.

Dr. Lorenz Kirschner

Rechtsanwalt für Strafrecht

Weitere (nicht alle) Beiträge von mir zum Thema Strafrecht:

Erfolge und Presse (nicht alles) im Strafrecht:

 

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