Am Landesgericht Wels war mein Klient wegen Morddrohungen (gefährliche Drohung – § 107 StGB) und sexueller Belästigung (§ 218 Abs 1 StGB) gegenüber Mitschülern angeklagt.
Die mediale Berichterstattung vor Prozessbeginn war für meinen Mandanten leider katastrophal (“Sex-Stalker“, “von hinten einen Kleiderbügel um den Hals gelegt und ihn mit dem Ersticken bedroht” “teilweise geständig“), zudem hatte mein Mandant (vor meinem Einschreiten) 2 Tage in Untersuchungshaft verbracht:
Die Verteidigungsstrategie war, dem Gericht nahezubringen, wie heutzutage die Umgangsformen in den Schulen sind. Dies gelang nach einiger Zeit. Schlussendlich gestand der angeblich bedrohte Mitschüler in der Hauptverhandlung zu, dass bestimmte Äußerungen (“Ich bringe Dich um!” “Ich stech’ Dich ab!“) in der Klasse “ganz normal” waren, auch unter Freunden. Mein Mandant wollte also nur Anschluss finden und hat daher nach ein paar Monaten diese Umgangsformen übernommen. Dem Vorhalten des Kleiderbügels war eine ausdrückliche “Versuch’s doch!”-Aufforderung des angeblichen Opfers vorausgegangen.
Daher ein klarer Freispruch hinsichtlich der gefährlichen Drohungen. Rechtsmittelverzicht der Staatsanwaltschaft.
Die sexuelle Belästigung der Mitschülerin war laut Richter bestenfalls eine “Verletzung der Würde” iSd § 218 Abs 1a StGB und nicht die angeklagte “sexuelle Belästigung” nach Abs 1. Hier gab es eine Diversion mit 1 Jahr Probezeit.
Im Ergebnis muss somit die Republik jetzt sogar für 2 Tage Untersuchungshaft Haftentschädigung zahlen (nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz).
Für die Medien ist ein Freispruch in so einer Sache zwar weniger interessant als eine Sensationsberichterstattung, dennoch konnte ich erreichen, dass auch über den Freispruch berichtet wird.
Strafverteidiger