Soll ich nach einer Festnahme die Aussage verweigern und einen Verteidiger verlangen?
Ja. Die Goldene Regel lautet: Machen Sie vor der Rücksprache mit einem Strafverteidiger keine Aussage zu Tatvorwürfen.
Gelegentlich berichten Beschuldigte, dass von vernehmenden Polizeibeamten darauf verwiesen würde, dass “man eh keinen Rechtsanwalt brauche, wenn man unschuldig sei” oder “man nicht schweigen müsse, wenn man nichts zu verschweigen habe” oder man sich mit einer Aussage “nur selbst helfe” etc. etc. Die tägliche Praxis zeigt aber, dass selbst vorbestrafte Personen in der Ausnahmesituation nach einer Festnahme zu vorschnellen Aussagen neigen, die sie mit kühlem Kopf und nach Beratung mit einem erfahrenen Strafverteidiger niemals getätigt hätten. Es ist meistens ein Irrtum, man könne durch eine Aussage die Freilassung erwirken! Eine einmal getätigte Aussage wird auch später in der Hauptverhandlung verlesen und kann nicht “zurückgenommen” werden.
Also schweigen Sie und verlangen einen Verteidiger. Später in der Gerichtsverhandlung können Sie immer noch alle Unklarheiten aufklären.
Wie kommt der Festgenommene zu einem Verteidiger?
Falls Sie als Angehöriger diese Zeilen lesen und mich mit der Verteidigung beauftragen, besuche ich den Festgenommenen im Polizeianhaltezentrum oder der Justizanstalt. Als Strafverteidiger erhalte ich dabei Zutritt und kann mit dem Festgenommenen besprechen, ob er die Vertretung durch mich auch tatsächlich wünscht.
Wann entscheidet das Gericht und nicht mehr die Polizei über die Fortsetzung des Freiheitsentzuges?
Wenn die Polizei die Festnahme ausspricht, ist der Betroffene innerhalb von 48 Stunden in die Justizanstalt einzuliefern. Dort muss die Vernehmung des Beschuldigten innerhalb von weiteren 48 Stunden durch den Haftrichter stattfinden, ansonsten ist er freizulassen.
Die Untersuchungshaft nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft verhängt werden. Der Beschuldigte muss über die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen informiert werden und darf sich dazu äußern. Gut ist es, wenn bereits vorher eine Beratung mit einem Strafverteidiger stattgefunden hat. Eine rasche Beauftragung vor der gerichtlichen Vernehmung ist wichtig, da nur wenig Zeit zur Verfügung steht.
Unter welchen Voraussetzungen darf Untersuchungshaft verhängt oder verlängert werden?
Eine Untersuchungshaft muss immer in einem angemessenen Verhältnis zum Tatvorwurf stehen. Wenn zB bloß Ladendiebstahl (§ 127 StGB) oder Jointrauchen (§ 27 SMG) im Raum steht, darf niemals die Untersuchungshaft verhängt werden. Anders ist es, wenn behauptet wird, dass Sie gewerbsmäßigen Suchtgifthandel (§ 28a SMG) betreiben.
- Es besteht dringender Tatverdacht
- Es liegt ein sogenannter Haftgrund vor, also Fluchtgefahr (vor allem ins Ausland), Verdunkelungsgefahr (Beweise vernichten, Zeugen beeinflussen, Verabredung mit Mitbeschuldigten) oder Tatbegehungsgefahr, was die Staatsanwaltschaft beweisen muss!
- Bei Verbrechen, die mit mindestens 10-jähriger Freiheitsstrafe sanktioniert sind, genügt es hingegen, wenn nicht alle Haftgründe ausgeschlossen werden können
Es gibt sogenannten Haftfristen. Die erste Haftfrist beträgt 14 Tage ab Festnahme. Danach ein weiteres Monat, danach jeweils 2 Monate. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft kann nur in einer vor Ablauf der Haftfrist stattfindenden Haftverhandlung ausgesprochen werden. Wenn nur Verdunkelungsgefahr besteht, ist die Maximalfrist nur 2 Monate. Bei anderen Haftgründen beträgt die Maximalfrist der gesamten Untersuchungshaft normal 6 Monate, nur in Ausnahmefällen darf die Untersuchungshaft bis zu 2 Jahre dauern. Wenn aber bereits Anklage erhoben wurde, gilt dies nicht. Dann finden Haftverhandlungen auch nur noch über Antrag statt.
Erhält man einen kostenlosen Strafverteidiger?
Ja. Wenn kein Wahlverteidiger auftritt, muss zumindest ein Rechtsanwalt als Verfahrenshilfevertediger vom Gericht bestellt werden – welcher aber meist gar nicht auf Strafverteidigungen spezialisiert sein wird.
Wie kann man sich wehren?
Wenn der Haftrichter die Untersuchungshaft verhängt oder verlängert, kann der Verteidiger eine Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht richten.
Wird das Gehalt weiter ausbezahlt? Erfährt mein Arbeitgeber von der Festnahme/Untersuchungshaft?
Bei öffentlich Bediensteten wird meist die Dienststelle von der Festnahme informiert. Für die Dauer der Untersuchungshaft ruht daher meist automatisch der Bezug, ein allfälliger Übergenuss ist zurückzuzahlen. Bei privatem Arbeitgebern darf grundsätzlich auch nicht plötzliche Erkrankung als Grund des Nichterscheinens zur Arbeit vorgeschoben werden. Es empfiehlt sich hier meistens, mit offenen Karten zu spielen.
Erhält man Behördenpost? Kann jeder erfahren, dass ich inhaftiert war?
Bei neu eingeleiteten Verfahren automatisch. Die Justizanstalt nimmt im Zentralen Melderegister die Wohnsitzmeldung vor. Bei schon vorher eingeleiteten Verfahren obliegt es aber dem Betroffenen, seinen Wohnsitzwechsel der Behörde mitzuteilen! Wer später keine Auskunftsbeschränkung erwirkt, muss daher damit rechnen, dass allein aufgrund der Adresse der Justizanstalt später Vermieter etc. den Schluss ziehen können, dass Sie einmal inhaftiert waren.
Was passiert bei Haftunfähigkeit wegen Krankheit?
Es gibt grundsätzlich keine “Haftunfähigkeit”, weil die Untersuchungshaft ganz andere Zwecke als die Strafhaft hat. Allerdings kann zB eine Krankheit bedeuten, dass der Beschuldigte weniger Motivation zur Flucht hat, sodass womöglich der Haftgrund der Fluchtgefahr entfällt.
Wird die Dauer der Untersuchungshaft auf die Strafhaft angerechnet?
Ja. Da die Strafhaft oft unangenehmer zu verbringen ist als eine Untersuchungshaft (in der man ja als unschuldig gilt!), ist für manchen Beschuldigten das “Absitzen” in der Untersuchungshaft sogar empfehlenswert, wenn ohnehin mit einer längeren unbedingten Freiheitsstrafe zu rechnen ist.
Strafverteidiger