Als Verlassenschaftsrichter in streitigen Erbrechtsfällen und an Amtstagen am Bezirksgericht, bei denen immer wieder Menschen mit ihren Testamenten zur Prüfung kamen, habe ich in Oberösterreich und Salzburg einiges gesehen. Diejenigen, die etwas zu vererben hatten, wussten, dass in keinem anderen Rechtsbereich eine sorgfältige Planung der Zukunft so wichtig ist und Fehler nicht mehr korrigierbar sind (immerhin kann man später nicht mehr mitreden).
Nie wollte der Verstorbene Unsicherheiten und Streitigkeiten bewusst erzeugen, sondern “es kam halt so“. Ein erfahrener Anwalt für Erbrecht, der vielleicht in 20 Jahren den Auftrag erhält, Ihr Testament anzufechten, weiß schon worauf er achten muss. Wenn Sie die Liste der aus meiner Sicht schwersten und vor allem vermeidbaren Fehler beim Testament und Vererben (für’s Erben folgt ein eigener Beitrag) abhaken können (oder neu: Sie machen den Online-Testament-Check), sind Sie schon auf der sicheren Seite:
1. Fehler: Sie machen gar kein Testament oder erwähnen verstecktes Vermögen nicht
Sie wollen zwar nicht, dass der Staat erbt (sogenanntes Heimfallsrecht), aber sie glauben, dass Sie für den Lieblingsgroßneffen “irgendwann” ein Testament schreiben werden.
Ergebnis: Ohne Testament erben Ihre gesetzlichen Erben, wenn Sie morgen einen tödlichen Verkehrsunfall haben, oder einen Schlaganfall, der Sie testierunfähig macht. Vielleicht erbt dann Ihre schon getrennt lebende Ehefrau oder Ihr ungeliebter Sohn. Und selbst wenn Sie gar keine gesetzlichen Erben haben – hätten Sie Ihr Vermögen dann nicht lieber dem Tierschutzverein, der freiwilligen Feuerwehr oder einer Organisation zur Erhaltung der Artenvielfalt vermacht?
Und was nutzt es Ihrem Erben, wenn er die Zugangscodes zum digitalen Nachlass (Kryptowährungen, Paypal, Twitter, Instagram, Facebook, GMail etc.) nicht kennt und er sich stattdessen mit einer im Ausland sitzenden Firma herumschlagen muss? Wenn er von Ihrem nicht registrierten, vergrabenen oder beim Treuhänder verwahrten Vermögen (Gold, Aktien, Liegenschaften etc.) nie erfährt?
2. Fehler: Sie machen ein nicht handgeschriebenes Testament ohne Anwalt oder Notar
Wenn Sie (Wie) Kann man ohne Rechtsanwalt oder Notar ein Testament errichten? gelesen haben, passiert das wohl nicht mehr. Leider in der Praxis viel zu oft. Bei nicht handgeschriebenen – sogenannten fremdhändigen – Testamenten kommt vor allem das Zeugentestament in Frage.
Variante A: Sie schreiben es nur am Computer und unterschreiben den Ausdruck
Fast jeder weiß, dass ein Testament grundsätzlich zur Gänze selbstgeschrieben (eigenhändig) sein muss. Alles andere sollten Sie nur mit Rechtsanwalt oder Notar machen. Ein Textausdruck muss die Formvorschriften für fremdhändie Testamente erfüllen, das schaffen Sie als Laie fast nicht.
Variante B: Sie errichten ein ungültiges Zeugentestament
Leider sind die Fallstricke für ein fremdhändiges Testament mit Zeugen seit der Erbrechtsnovelle größer geworden. Seither müssen die 3 Zeugen schon im Testament genannt werden, DANN erst sollte der Erblasser unterschreiben und DANACH müssen die Zeugen mit dem Zusatz “als Testamentszeugen” und Wohnadresse oder Geburtsdatum LESERLICH unterschreiben.
Besteht die begründete Befürchtung oder tatsächliche Gefahr, dass man bald stirbt, bevor man noch schriftlich seinen letzten Willen erklären kann, dann geht das ausnahmsweise auch vor nur 2 Zeugen, man kann es sich dann auch aussuchen, ob schriftlich oder mündlich (Nottestament).
Aber es gibt noch andere Gründe, warum ein Zeugentestament ungültig sein kann, zB weil
- der eigenhändige Zusatz fehlt, dass dies der letzte Wille ist, oder
- eigenhändige Nachträge nicht unterfertigt werden oder
- mehrere Blatt Papier verwendet werden oder
- einer der Zeugen nicht leserlich unterschreibt oder
- die Zeugen nicht schon im Testament genannt werden (strittig)
- einer der Zeugen, sein naher Angehöriger oder Chef im Testament begünstigt wurde oder
- beim mündlichen Nottestament später nicht beide Zeugen denselben letzten Willen wiedergeben können
- gar keine Situation vorlag, die ein mündliches Nottestament erlaubte
- etc.
3. Fehler: Trotz hohen Alters dokumentieren Sie nicht Ihren Geisteszustand
Alle, die ohne ein gültiges Testament besser dastünden, werden beim Testament eines Altenheimbewohners oder eines Besachwalteten (Besachwaltung bedeutet NICHT automatisch Testierunfähigkeit!) gerne behaupten, dass er im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr Herr seiner Sinne war. Dagegen hilft zB die eigenhändige Testamentserrichtung (weil schwieriger als bloße Unterschrift) oder das Beilegen eines aktuellen Arztbefundes.
4. Fehler: Sie passen Ihr altes Testament nicht an neue Lebenssituationen an
Ihre Noch-Ehefrau wird es Ihnen danken, wenn Sie Ihr altes, auf die Ehefrau geschriebenes Testament nicht widerrufen und Ihre neue Lebensgefährtin nicht als Erbin einsetzen. Wollen Sie, dass (egal ob in so einem Fall die Exfrau erbt, vielleicht haben Sie ja noch nicht einmal Scheidungsklage erhoben) der bei der Exfrau lebende Sohn alles erbt und Ihre Lebensgefährtin nichts erbt? Denn bloße Lebensgefährten haben kein gesetzliches Erbrecht (nur 1 Jahr Wohnrecht, falls die Lebensgemeinschaft schon 3 Jahre dauerte)!
Ein gültiges Testament, dass die künftige Lebenssituation der Hinterbliebenen nicht bedenkt, birgt Sprengstoff für die Zukunft. Es ist noch der geringste Schaden, wenn gegen Ihren Willen das mühsam erarbeitete Haus verscherbelt werden muss (Verkauf der Erbschaft – Schneller Ausweg aus der Erbengemeinschaft), weil sich die Stiefmutter und die Kinder aus 1. Ehe nicht riechen können. Dann ist nicht das Testament mit hilflosen Enterbungsversuchen das Mittel der Wahl, sondern zB das Einholen eines Pflichtteilsverzichts gegen eine Abschlagzahlung (siehe unten Fehler Nr. 7).
Außerdem gibt es 30 Jahre nach der Errichtung eines gemeinsamen Ehegattentestaments auch ohne Trennung fast immer einen Grund, ein neues Testament oder zumindest ein zusätzliches Vermächtnis zu errichten (für den Lieblingsneffen, etc.).
5. Fehler: Sie lassen Ihr Testament nicht registrieren
Der beste, wirksam errichtete letzte Wille ist wertlos, wenn er nicht aufgefunden oder vom Enterbten unterdrückt wird.
Das so etwas strafbar ist (Was Strafrecht und Erbrecht miteinander zu tun haben), hilft dann auch nicht mehr wirklich.
Egal ob Ihr letzter Wille beim Notar, vor Gericht, beim Rechtsanwalt oder daheim im stillen Kämmerlein errichtet wurde: Mein dringender Rat ist, ihn vom Rechtsanwalt oder Notar im Testamentsregister erfassen zu lassen. Das kostet Sie nur eine geringe Gebühr, bei Pauschalen für Testamentserrichtungen ist das meistens inkludiert.
Im Falle Ihres Ablebens erfährt der Gerichtskommissär und das Verlassenschaftsgericht somit garantiert automatisch von Ihrem Testament. Und keine Angst: Vor Ihrem Tod erfährt niemand vom Inhalt des Testaments und nicht einmal, dass es eines gibt.
6. Fehler: Sie gehen davon aus, dass alle Begünstigten Sie überleben werden
“Meine beste Freundin [XY, Adresse] soll alles erben.” Und was, wenn Ihre Freundin vor Ihnen stirbt. Soll dann doch der Sohn, der sich nie um Sie gekümmert hat, erben. Oder gar der Staat?
Bedenken Sie so einen Fall und lassen Sie sich einen oder besser noch zwei Ersatzerben einfallen und regeln Sie die Reihenfolge, in der sie zum Zug kommen.
7. Fehler: Sie denken nicht an den Pflichtteil
Ihr Sohn soll alles erben – aber kann er es sich überhaupt leisten, seiner Schwester den Pflichtteil auszuzahlen? Ist Ihre Tochter erbunwürdig und kann Ihr Sohn das beweisen? Oder gibt es einen Enterbungsgrund, den Sie aber gesondert im Testament anführen müssen? Vielleicht gibt es zumindest einen ausreichenden Grund, die Tochter auf den halben Pflichtteil zu setzen? Oder wäre Ihre Tochter bereit, gegen sofortige Zahlung einer relativ geringen Summe, einen Erb- und Pflichtteilsverzicht zu unterschreiben? Wie spricht man so ein Thema am besten an und sollen Sie oder der spätere Erbe die Gegenleistung für den Pflichtteilsverzicht auszahlen? Vielleicht kann man eine Stundung vereinbaren?
Alle diese Fragen sollten Sie bedenken, wenn Ihr Vermögen nicht nur aus Bankguthaben und Bargeld besteht. Denn wenn nur das Haus vererbt wird, muss es der Erbe dann vielleicht rasch und unter dem Marktwert verkaufen, um den Pflichtteil zahlen zu können.
8. Fehler: Sie nutzen nicht die Möglichkeit von Bedingungen
Sie wollen Streitigkeiten vermeiden. Wenn Sie zB dem Erben auftragen, bestimmte Vermächtnisse (Legate) an Dritte zu erfüllen, sollten Sie klarstellen, ob der Dritte direkt einen Anspruch haben soll, oder ob das in Wahrheit nur ein Wunsch an den Erben ist, den er “nach Möglichkeit” erfüllen soll.
Eine von Rechtsanwälten und Notaren heutzutage fast nie vorgeschlagene aber gute Möglichkeit, Streitigkeiten zu verringern, ist die Bestreitungsklausel (Verwirkungsklausel): Sie schreiben möglichst konkret vor, welches negative Verhalten der letzwillig Begünstigten Sie nicht wollen (zB Klage gegen Geschwister) und welche Folgen ein Verstoß hat (zB “bekommt dann nichts” oder “muss den Oldtimer an XY weitergeben“). Und vor allem, wer dann stattdessen erben soll. Aber Achtung: Ein derart “Enterbter” hat natürlich immer noch seinen Pflichtteilsanspruch, falls er ein gesetzlicher Erbe ist!
Ähnliches gilt für Auflagen: So können Sie zB Kindern mehr als den Pflichtteil unter einer Auflage zuwenden (zB dass sie jemanden bis zu seinem Tod pflegen oder bei sich wohnen lassen etc.).
Weiters sind aufschiebende und auflösende Bedingungen sowie Befristungen möglich. Aber Achtung: Gesetz- oder sittenwidrige Bedingungen gelten als nicht beigesetzt.
Beispiele: Sie machen dem Erben die Auflage
- vorher nackt durch die Straßen zu laufen
- sich scheiden zu lassen
- jemanden zu verletzen etc.
- die Erbschaft nur mit unbedingter Haftung antreten zu dürfen
Sie bewirken damit praktisch das Gegenteil, denn so bekommt er das Erbe ohne irgendetwas tun zu müssen!
In der Praxis problematisch sind Verwirkungstatbestände und Auflagen, die erst nach Einantwortung, also nachdem der Erbe schon alles erhalten hat, eintreten. Denn am Papier gelten solche Bedingungen, aber wer kontrolliert das? Dazu wird bei größeren Vermögen manchmal ein Teil vorerst bei einer Stiftung, Treuhänder oder einem Nachlassverwalter / Testamentsvollstrecker “geparkt”, um sicherzugehen, dass sich die Erben wohlverhalten.
9. Fehler: Sie denken nicht an die Anrechnung von früheren Geschenken
Die Erben können trefflich streiten, ob der Opa wollte, dass sein Geschenk von 20.000,00 Euro zur Hochzeit auf das Erbe eines der beiden Enkel anzurechnen sein sollte. Oder doch nicht, weil der andere 10.000,00 für ein Auto bekommen hat?
Das lässt sich leicht vermeiden. Schreiben Sie einfach, wie hoch frühere Geschenke waren und ob sich der Beschenkte diese anrechnen lassen muss. Am besten noch Zahlungsbelege dem Testament beilegen!
Übrigens: Wenn Sie Geschenke an nicht pflichtteilsberechtigte Freunde oder Verwandte (Cousine, Neffen, Eltern) gemacht haben, dann sollten Sie diese nicht im Testament erwähnen. Denn damit geben Sie den Pflichtteilsberechtigten nur Beweise in die Hand, um von den Beschenkten etwas nachzufordern, falls in der Erbschaft zu wenig Vermögen ist (sogenannter Schenkungspflichtteil).
10. Fehler: Sie sparen sich professionelle Beratung oder den Testamentsvollstrecker
Sie können gerne Ihr Testament selber schreiben. Aber lassen Sie es zumindest
a) bei einem Rechtsanwalt prüfen und
b) registrieren.
Beides kostet Sie nur einen Bruchteil dessen, was Ihre Erben ein Erbschaftsprozess kostet. Oft stellt sich heraus, dass das wirtschaftlich angestrebte Ergebnis rein mit einem Testament nicht erreichbar ist, und stattdessen ein Vertrag oder eine andere Regelung unter Lebenden nötig ist.
Außerdem können Sie sich mittlerweile denken, dass ich abgesehen von ganz einfachen Fällen dringend zur professionellen Testamentserstellung rate (siehe Kann man ohne Rechtsanwalt oder Notar ein Testament errichten?).
Vor allem wenn Sie mehreren Personen etwas vererben wollen, ist zu bedenken, dass nur die wenigsten Menschen wirklich gerne eine Erbengemeinschaft bilden (Verkauf der Erbschaft – Schneller Ausweg aus der Erbengemeinschaft). Ein Testamentsvollstrecker kann durch unabhängige Verwaltung oder Verwertung des Nachlasses und Auszahlung von Vermächtnissen und Pflichtteilen teuren Streit der Erben mit Pflichtteilsberechtigten oder Vermächtnisnehmern vermeiden.
Rechtsanwalt für Erbrecht / Ehemaliger Verlassenschaftsrichter